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09.08.2007

Traumjob Tourismus: „Lebenslanges Lernen“ wird immer wichtiger – ein Experten-Interview

Was muss ein Tourismus-Manager heutzutage können? Wie haben sich die Anforderungen an diesen Beruf in den letzten Jahren verändert? Welche Chancen haben Quereinsteiger und Mitarbeiter der operativen Ebene, ins touristische Management einzusteigen? Und wie wichtig ist dabei das Thema „Weiterbildung“? Über dies und vieles mehr sprachen wir im Interview mit der Hochschullehrerin und Tourismus-Expertin Frau Prof. Dr. Silke Landgrebe.

Ob als Leiter einer Hotelkette oder Freizeitanlage, als Mitarbeiter einer Fluglinie, bei einem Reisevermittler oder Reiseveranstalter – die beruflichen Möglichkeiten im Wachstumsmarkt Tourismus sind vielfältig. Für eine leitende Position braucht es neben Führungskompetenz auch und vor allem Fachwissen, das nicht allein durch die  „learning by doing“-Methode  angeeignet werden kann. Ausbildung, Studium und praktische Erfahrung bilden eine sehr gute Grundlage, um im Tourismus Karriere zu machen. Allerdings wird auch in dieser Branche  das geflügelte Wort vom „Lebenslangen Lernen“ immer wichtiger. Über die Anforderungen des Tourismus-Managements und das Thema Weiterbildung sprachen wir mit Frau Prof. Dr. Silke Landgrebe. Die Hochschullehrerin ist seit 1994 im Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Gelsenkirchen am Lehrstuhl für Betriebswirtschaft und Tourismus tätig. Darüber hinaus hat sie die Geschäftführung eines Planungsbüros für Tourismus in Münster inne.
 
Ohne professionelles Management-Know-how und Fachwissen der handelnden Personen wird man in der Tourismusbranche heutzutage kaum noch erfolgreich sein können. Wie haben sich die Anforderungen an das touristische Management in den letzten Jahren verändert?
Prof. Dr. Silke Landgrebe: In den letzten Jahren hat sich der Tourismus mit großer Dynamik weiterentwickelt, ist immer komplexer geworden und hat immer mehr Teil- bzw. Nischenmärkte ausdifferenziert. In allen touristischen Branchen hat sich der Wettbewerb verschärft, zudem sind die Kunden sehr anspruchsvoll geworden und legen – anders als früher – höchste Messlatten an touristische Infrastruktur und Servicequalität. Tourismusunternehmen, gleich ob Hotellerie, Tagungs- und Eventveranstalter, Reisebüros und Reiseunternehmen oder Incoming-Agenturen, müssen daher mehr denn je professionelle Strukturen etablieren und über gut ausgebildete Mitarbeiter auf allen Ebenen verfügen.
 
Was muss man alles können, um eine Aufgabe im Management der Tourismusbranche kompetent ausfüllen zu können? 
Landgrebe: Es gibt neben den allgemeinen betrieblichen Aufgabenfeldern wie Marketing, Buchhaltung oder  Personalentwicklung die unterschiedlichsten fachlichen Schwerpunkte. Ein Produktmanager in einem Reiseunternehmen z.B. befasst sich vorausschauend mit der Produktpalette seiner Destination für den Katalog im nächsten Geschäftsjahr; seine Hauptaufgaben liegen also in der Planung und dem Einkauf von Hotelbetten und Flugkapazitäten sowie Preiskalkulation, aber auch in der fortlaufenden Überwachung von Auslastungszahlen und der Qualität seiner Leistungsträger. Notwendig sind für diese Tätigkeiten vor allem sehr gute Zielgebietskenntnisse, Sprachkenntnisse  und interkulturelle Kompetenzen, die sein Verhandlungsgeschick prägen. Zugleich muss er beurteilen können, was die Kunden wünschen – muss  also auch mit Daten und Instrumenten der Marktforschung umgehen können. Nicht zuletzt sind Teamfähigkeit und gute Personalführung  gefragt, denn Tourismusmanager sind selten Einzelkämpfer, sondern immer auf Mitarbeiter und eine gute Vernetzung mit Abteilungen wie Marketing und Verkauf angewiesen.
 
Wie wichtig ist fundiertes und aktuelles Fachwissen für die Arbeit im Tourismus?
Landgrebe: Gerade im direkten Umgang mit den heute überwiegend sehr reiseerfahrenen und gut informierten Kunden bzw. Gästen wird eine hohe Professionalität, etwa in der Beratungskompetenz, erwartet. Aber auch hinter den Kulissen ist „best practice“ gefordert, z.B. wenn es um Informationstechnologien oder um neue Methoden der Qualitätssicherung oder Kundenorientierung geht.
 
Um dieses Fachwissen zu erlangen, gibt es die Möglichkeit, sich weiterzubilden. Würden Sie eine Weiterbildung im Bereich Tourismusmanagement empfehlen? Wenn ja, warum?
Landgrebe: Selbst wenn ein Mitarbeiter  hervorragende Arbeit leistet, ist berufliches Fortkommen ohne formale Qualifikation kaum mehr möglich – nicht zuletzt angesichts der Vielzahl der Mitbewerber, die in die touristischen Berufe drängen.
 
Sie selbst sind als Dozentin bei der vom IST-Studieninstitut und der Fachhochschule Schmalkalden angebotenen Hochschulweiterbildung „Tourismusbetriebswirt (FH)“ tätig. Wie bewerten Sie dieses Angebot?
Landgrebe: Die Inhalte orientieren sich an den aktuellen Anforderungen der Tourismuswirtschaft und nehmen die Fragestellen auf, die in der Praxis hohe und auch zukunftsweisende Relevanz besitzen. Man befasst sich in der Ausbildung mit Themen und Ansätzen, die im Alltagsgeschäft häufig auf der Strecke bleiben oder auch oft routiniert „aus dem Bauch heraus“ gemacht werden. Insofern gibt die Ausbildung neue Impulse und kann Verbesserungspotenziale für den beruflichen Arbeitsalltag aufzeigen.
Auch kommen IST-Studierende aus den unterschiedlichsten Branchen oder beruflichen Zusammenhängen. Dies führt in den Präsenzseminaren oft zu lebhaften, durchaus auch kontroversen Diskussionen. Ich habe viele Teilnehmer erlebt, die danach mit ganz neuen Anregungen, eben aus den verschiedenen Blickwinkeln,  wieder an ihre Arbeit gehen. Letztlich sind in einer Zeit, in der Networking oberstes Gebot ist, sicher auch die Kontakte nicht zu unterschätzen, die die Teilnehmer miteinander knüpfen.
 
Wie sieht Ihrer Meinung nach die zukünftige Entwicklung der Tourismusbranche aus?
Landgrebe: Abgesehen von Unwägbarkeiten durch Katastrophen oder Terroranschläge, wird zukünftig ganz sicher nicht weniger, jedoch anders gereist. Es werden z.B. eher kürzere, aber häufigere Reisen unternommen, und es wird ungewöhnlichere und individuellere Angebote geben – z.B. für Singles oder alte Menschen, aber auch im Bereich der Geschäftsreisen, etwa als Incentives oder Kongressreisen. In welchem Maße sich die großen Klimaveränderungen auswirken, lässt sich nicht verlässlich vorhersehen. Allerdings zeichnen sich auch hier Entwicklungen zu mehr Indoor-Angeboten, künstlichen Erlebniswelten und kurzfristigem Buchungsverhalten, kurz: zu mehr „Instant-Urlaub“, ab. 
  
Werden sich die Anforderungen an die im Tourismusmanagement tätigen Personen ändern?
Landgrebe: Hohe Servicebereitschaft und Empathie, also die Fähigkeit, auf den Kunden einzugehen bzw. sich in ihn hinein zu versetzen, spielen sicherlich eine wachsende Rolle im Rahmen der Schlüsselqualifikationen. Als zunehmend selbstverständlich wird auch der souveräne Umgang mit IT-Technologien, wie Reservierungssystemen, CRM und Internet, vorausgesetzt.
 
Wie viel Personal wird gebraucht?
Landgrebe: Die Nachfrage nach Mitarbeitern in touristischen Berufen ist nicht unbegrenzt, zumal auch in der Tourismusindustrie viele Unternehmen einen Sparkurs eingeschlagen haben. Umso wichtiger ist es, möglichst umfassende praktische Erfahrungen zu sammeln, sich stetig weiterzubilden und sich seiner fachlichen „Kernkompetenzen“  bewusst zu sein, diese weiter zu entwickeln und bei Bewerbungen besonders zu betonen.
 
Gibt es noch Quereinsteiger im Bereich des Tourismusmanagements?
Landgrebe: Ich kenne sehr interessante Karrieren wie z.B. die eines Software-Entwicklers, der sich im Tourismus selbstständig gemacht hat und Chef eines führenden Online-Reisebüros geworden ist, oder Frauen, die zuvor im Marketing erfolgreich waren und heute als Geschäftsführerinnen Tourismusverbände leiten oder das Marketingbudget von Hotelketten verantworten. Da das Wachstum im Tourismus weitgehend abgeschlossen ist, kommt es entscheidend darauf an, potenzielle Kunden vom Produkt zu begeistern. Hierin liegt die große Chance von Vertriebs- und Verkaufstalenten, die auch als Seiteneinsteiger gerade bei Reiseunternehmen immer wieder gefragt sind.    
 
Welche Chancen haben Mitarbeiter der operativen Ebene (Reisebegleiter etc.) beim Wechsel auf die administrative/betriebswirtschaftliche Seite?
Landgrebe: Betriebswirtschaftliches Know-how vorausgesetzt, sind die Erfahrungen, die man z.B. als Reiseleiter, Animateur oder Flugbegleiter „an der Front“, d.h. im direkten Kundenkontakt und in der direkten Zusammenarbeit mit den Leistungsträgern vor Ort  gesammelt hat, ein optimales Fundament.
 
Frau Prof. Dr. Landgrebe, vielen Dank für dieses Gespräch.
 
 
Weitere Informationen zur Hochschulweiterbildung „Tourismusbetriebswirt (FH)“ gibt es hier. Einen Überblick über alle anderen Angebote des IST-Studieninstituts aus dem Bereich „Tourismus & Gastgewerbe“ – darunter zwei neue – finden Sie hier.