Zur News-Übersicht

03.07.2008

Experten-Interview: Sport und Tourismus – eine starke Kombination

Die Bedeutung des Sports ist auch im Tourismus in der Vergangenheit stets gestiegen. Zum Themenkomplex Sporttourismus haben wir uns mit Prof. Dr. habil. Jürgen Schwark von der FH Gelsenkirchen (Fachbereich Wirtschaft, Studienschwerpunkt Tourismus) unterhalten – u. a. über Entwicklung und Bedeutung des Sporttourismus, die Arbeitschancen in diesem Bereich und die Vorteile touristischer Weiterbildungen. Das ausführliche Experten-Interview lesen Sie hier.

Auch – oder gerade – im Urlaub wollen sich Reisende sportlich betätigen und landschaftliche Besonderheiten der Destinationen für ihren Sport nutzen. Zudem locken sportliche Großveranstaltungen zahlreiche Touristen an. Mit seiner Vielfalt bietet der Sporttourismus dabei ein interessantes Arbeitfeld. Notwendiges Fachwissen ist für die Arbeit in diesem Bereich allerdings Voraussetzung. Heute bieten sich dafür spezifische Qualifizierungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel das Fernstudium „Sporttourismus-Management“ beim IST-Studieninstitut. Zum Thema „Sporttourismus“ sprachen wir mit Prof. Dr. habil. Jürgen Schwark von der FH Gelsenkirchen.
 
Sport ist in den letzten Jahren für die Urlaubsdestinationen zu einer immer wichtigeren Vermarktungsgrundlage geworden. Welche Bedeutung hat der Sporttourismus heutzutage Ihrer Meinung nach?
Prof. Dr. Jürgen Schwark: Sport (und Bewegungskultur) ist zu einer der prominentesten kulturellen Aktivitäten avanciert. Die Zeiten, zu denen Sport eine Angelegenheit von jungen, überwiegend männlichen, wettkampforientierten Akteuren war, ist Geschichte. Heute betreiben Menschen beiderlei Geschlechts bis in höhere Lebensalter Sport – und selbstverständlich wird diese kulturelle Praxis auch im Urlaub ausgeübt. Andere Destinationen bieten geradezu ideale Voraussetzungen, den eigenen Sport unter attraktiveren Bedingungen auszuüben als dies zuhause möglich ist. Inzwischen ist Sport für viele Destinationen nicht nur ein unverzichtbarer, sondern auch ein imagebildender Bestandteil geworden.
 
Was macht denn das Besondere am „Sport im Urlaub“ aus?
Schwark: Sporttourismus, der sich darüber qualifiziert, dass er eine Verbindung mit den natürlichen oder sozialen bzw. kulturellen Besonderheiten der Destination eingeht, ist nicht nur eine erlebnisorientierte Komponente, sondern bietet zusätzlich auch neue Erfahrungen, neue Erprobungsmöglichkeiten. Der dortige Umgang mit dem Körper, der soziale Umgang miteinander, die regionalen Besonderheiten der Sportausübung und vor allem die unterschiedlichen geografischen Bedingungen stellen eine Bereicherung für Sporttouristen dar. Also etwas, was Reisen im Kern ausmacht.
 
Wie hat sich der Sporttourismus entwickelt?
Schwark: In der Freizeit- und Breitensportbewegung der 1960er Jahren wurde der Grundstein dafür gelegt, dass wir heute eine vielfältige, bunte und ausdifferenzierte Sportlandschaft haben. Vereinswesen, Selbstorganisation und kommerzielle Anbieter agieren auf „dem Markt“ des Wettkampf- und Freizeitsports. Inzwischen betreiben 30 % der bundesdeutschen Bevölkerung regelmäßig (1 Mal pro Woche) Sport und eine Vielzahl dazu noch sporadisch. Schaut man sich die langfristigen Ergebnisse der Reiseanalyse an, so stellt man fest, dass die Zahlen zur Sportaktivität während einer Urlaubsreise von ca. 14 % im Jahr 1971 auf ca. 24 % im Jahr 1995 gestiegen sind. Danach wurde in dieser konkreten Form nicht mehr gefragt, aber die Zahlen liegen ungefähr auf dem gleichen Niveau wie im Alltag, also bei ca. 30 %. Abgesehen vom „obligatorischen“ Museumsbesuch, kann kaum eine andere kulturelle Praxis solche Werte aufweisen. Der Trend zum Sporttourismus ist stabil.
 
Gibt es Sportarten, die von Touristen in Ihrem Urlaub besonders häufig ausgeübt werden?
Schwark: An vorderster Stelle stehen etwas unspektakulär Wandern, Radfahren und Schwimmen, wobei Schwimmen häufig mit Baden gleichzusetzen ist. Insgesamt weisen so genannte Natursportarten mit Geräteeinsatz die höchste Attraktivität auf, ob dies nun Tauchen, Paragliding, Windsurfen oder Skifahren ist. Allen Sportarten gemein ist, dass sie – mehr oder weniger – in naturnaher Landschaft betrieben werden und mit den Geräten eine größere Raumaneignung möglich ist, verbunden mit erhöhter Eigengeschwindigkeit. Dies in einer schönen, unbekannten oder herausfordernden Umgebung zu tun, macht den spezifischen Reiz aus.
 
Welche Rolle spielt der „passive Sport“ im Tourismus, also der Besuch von Events?
Schwark: Kein anderer kultureller Teilbereich hat in unserer Gesellschaft eine vergleichbare Anziehungskraft wie der Sport – das mag von den Bereichen der so genannten Hochkultur naserümpfend zur Kenntnis genommen werden. Sportgroßveranstaltungen bieten im Spitzensport eine Bühne, auf der die ganze Palette menschlichen Daseins abgebildet werden kann: Spannung, Drama, Freude, Überraschungen, Gemeinschaft, Individualität, „Gut und Böse“, Akrobatik, Technik und die Präsentation menschlicher Leistungsfähigkeit. Insofern wollen sportinteressierte Menschen sportliche Darbietungen auf höchstem Niveau erleben und sind dafür zunehmend mobiler und ausgabebereiter.
 
Auch hier gibt es sicherlich Unterschiede in Bezug auf das Interesse an verschiedene Sportarten…
Schwark: Das stimmt. Über die letzten Jahrzehnte gab es zum Beispiel Verschiebungen: Sportarten wie Tennis verlieren an Zulauf, demgegenüber hat sich Golf in Deutschland zunehmend etabliert. Das größte Interesse erzielt immer noch der Fußball, der ein erhebliches ökonomisches Potenzial hat. Das hat z.B. die Fußball-WM 2006 hier in Deutschland gezeigt. Grundsätzlich ist in den letzten Jahrzehnten eine mediale und ökonomische Konzentration auf wenige Sportarten zu verzeichnen. Aus sportkultureller Sicht ist diese Entwicklung kritisch zu bewerten, da es vorgeblich unbedeutendere Sportverbände zunehmend schwerer haben, internationale Meisterschaften zu finanzieren. Aus volkswirtschaftlicher Sicht muss man jedoch ein Interesse daran haben, viele renommierte Sportgroßveranstaltungen durchzuführen, um den Incoming-Tourismus zu stärken.
 
Warum sollten Destinationen oder auch Reiseveranstalter das Thema „Sporttourismus“ berücksichtigen und was müssen sie beachten, um hier erfolgreich zu sein?
Schwark: Sport ist nicht nur Bestandteil der Alltagswelt der Menschen, sondern auch bedeutsamer Bestandteil des Urlaubs. Sich bewegen wollen, Neues und neuen Sport ausprobieren, über Sport und Sportgeräte auch die Umgebung wahrzunehmen sind ja wichtige Attraktivitätsfaktoren. Das funktioniert aber nur, wenn die Destinationen etwas Besonderes bieten und das auch gut vermarkten. Beispiel aus Nordrhein-Westfalen sind etwa die Mountain-Bike-Arena im Sauerland, die Qualitätsoffensive im Pferdesport im Münsterland, die Deutsche Fußball Route – NRW oder Motorsport in der Eifel.
 
Was müssen Leute, die im Sporttourismus arbeiten möchten, mitbringen? Auf welchen Gebieten müssen sie sich auskennen?
Schwark: Das ist ja ein weites Feld und variiert, je nachdem in welcher Position die Arbeit stattfindet, ob in einem Sporthotel, bei einem Sportreiseveranstalter, in einer Destination oder in einer Sport-Agentur einer Kommune. Wichtig ist es sicherlich, zu wissen, wie die Aktiven, Gäste oder Zuschauer „ticken“. Was sind die Besonderheiten, Wünsche, Motive, Bedürfnisse und Erwartungshaltungen? Natürlich kann man nicht Erfahrungen in allen Sportarten gemacht haben, so etwas wie Stallgeruch ist aber notwendig. Praktisch muss man schon selber Sportler oder Sportlerin (gewesen) sein und immer noch nah dran am Geschehen. Die Laufbewegung „tickt“ halt ein bisschen anders mit ihren Erwartungen an Marathonläufe als Fußballer, die in ein Trainingslager fahren.
 
Wie stehen die beruflichen Chancen für jemanden, der im Sporttourismus arbeiten möchte?
Schwark: Grundsätzlich bin ich langfristig positiv gestimmt. Chancen sehe ich bei Spezialreiseveranstaltern, in der Selbständigkeit als Veranstalter, bei Incoming-Agenturen, in der Hotellerie im Bereich Fitness und Wellness sowie in den Destinationen und Kommunen. Dort gibt es eher projektbezogene Verträge durch eingeworbene EU-Mittel oder befristete Verträge bei der Unterstützung von Sportgroßveranstaltungen.
 
Welche Vorteile sehen Sie in touristischen Weiterbildungen auf dem Gebiet des Sporttourismus?
Schwark: Die Tourismusbranche hat seit Mitte der 1980er Jahre einen großen Bedarf an akademischer Ausbildung entwickelt. Ausdruck dessen sind die mittlerweile vielfältigen Studienangebote, die inzwischen an eine Kapazitätsgrenze stoßen was der touristische Arbeitsmarkt aufnehmen kann. Bei zunehmender Konkurrenz um die angebotenen Stellen sind neben einer frühzeitigen sozialen Netzwerkbildung diverse Zusatzqualifikationen hilfreich. Das Thema Sporttourismus ist bis vor wenigen Jahren ausschließlich über Seminare in einigen wenigen tourismuswirtschaftlichen oder sportwissenschaftlichen Studiengängen behandelt worden. Eine  (Fern-)Weiterbildung haben bislang ja nur die FH Gelsenkirchen Abt. Bocholt in Kooperation mit der Hogeschool Nijmegen, das IST-Studieninstitut und neuerdings auch die Deutsche Sporthochschule Köln angeboten. Insofern handelt es sich hier um ein neues und innovatives Angebot, mit dem sich die Absolventinnen und Absolventen einen inhaltlichen und formalen Vorteil verschaffen können.
 
Warum würden Sie das Fernstudium „Sporttourismus-Management“ beim IST-Studieninstitut empfehlen?
Schwark: Die Vorteile sind offensichtlich. Bei der spezifischen Weiterbildung im Sporttourismus haben wir es mit einem neuen nachgefragten Bereich zu tun und hier kann eine Doppelqualifikation nur von Vorteil sein. Insbesondere durch die Form der berufsbegleitenden Weiterbildung ist es ja möglich, einen formalen Abschluss zu erwerben und gleichzeitig das erworbene Wissen praktische anzuwenden und umzusetzen. Die Teilnehmer haben hier die Chance, nebenberuflich spezifisches Fachwissen und neue Qualifikationen zu erreichen.
 
Herr Schwark, vielen Dank für das Gespräch.
 
 
Für den Juli-Start des 18-monatigen Fernstudiums Sporttourismus-Management beim IST-Studieninstitut werden bis zum 20. Juli noch Anmeldungen entgegengenommen. Weitere Informationen gibt es hier.
 
Prof. Dr. habil. Jürgen Schwark lehrt an der FH Gelsenkirchen, Abt. Bocholt im Fachbereich Wirtschaft, Studienschwerpunkt Tourismus. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich als Experte in zahlreichen Seminaren, Projekten, Vorträgen und Publikationen mit dem Thema Sporttourismus. Schwark ist Mitglied im Beirat der "Münsterland Touristik" und der "Deutschen Fußball Route - NRW". Zu den jüngeren Publikationen gehören „Schwark, Jürgen (Hrsg.): Sporttourismus und Großveranstaltungen - Praxisbeispiele, Münster 2005“ und „Schwark, Jürgen: Grundlagen zum Sporttourismus, Münster 2006“.