06.11.2013
Coaching ist eine Frage der „inneren Haltung“
Life Coaching, Business Coaching, Stress- und Mentalcoaching – Coaching liegt im Trend! Doch was ist Coaching eigentlich und wo liegt der Unterschied zum Berater oder Trainer. Handelt es sich tatsächlich um einen Job mit Zukunft und wenn ja, was macht einen guten Coach aus? Wir sprachen mit Kourosh Ghaffari, der seit Jahren als selbständiger Unternehmensberater, Business Coach, Coach sowie als Autor für die Weiterbildung „Stress- und Mentalcoach“ beim IST-Studieninstitut tätig ist und eine außergewöhnliche Perspektive aufzeigt, worauf es beim Coaching wirklich ankommt.
Die Nachfrage nach Coaching in Unternehmen aber auch bei Privatpersonen hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Kann man sagen, dass „Coach“ ein Beruf mit Zukunft ist?
Kourosh Ghaffari: Man kann sagen, dass wir dringend mehr Coach-Haltung brauchen, da diese häufig fehlt –sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Die Berater-Haltung ist viel zu dominant vertreten.
Und wie sind die unterschiedlichen Haltungen bei einem Coach, Trainer und Berater zu umschreiben?
Ghaffari: Die Ausgangsposition ist gleich, der Klient ist an einem Punkt, wo er das Gefühl hat mit dem eigenen Latein am Ende zu sein oder nur zäh weiterzukommen. Daher sucht er Unterstützung. In der Berater-Haltung bin ich der Ansicht, dass meine Erfahrung und mein Wissen lösungsdienlich sind und ich bringe sie daher aktiv ein. Das ist die intuitivste Haltung und daher am häufigsten vorzufinden. Unsere Freunde, Eltern, Geschwister, Kollegen, sie alle greifen am liebsten auf ihre eigenen Erfahrungen und ihr Wissen zurück und sind voll von guten Ratschlägen, was wir anders machen sollen.
In der Trainer-Haltung bin ich der Überzeugung, dass die Anwendung und Wiederholung einer bestimmten Methode oder Herangehensweise lösungsdienlich ist. Ich bleibe am Ball und trainiere sie mit dem Klienten, bis sie „sitzt“, da ja bekanntlich die Übung den Meister macht. Diese Haltung ist vielleicht weniger intuitiv, kommt aber durchaus auch im privaten Umfeld vor. Das ist beispielsweise die Mutter, die dafür sorgt, dass das Kind fleißig das Klavierspielen übt oder die Hausaufgaben macht.
In der Coach-Haltung glaube ich, dass der Klient selbst der Experte in eigener Sache ist. Es ist ihm vielleicht gerade nicht bewusst, dass er längst die Lösung kennt, da er sie üblicherweise in einem anderen Kontext anwendet. Der Coach bietet dem Klienten durch den Einsatz von u.a. Frage- und Gesprächstechniken Hilfe zur Selbsthilfe. Das ist definitiv keine intuitive Haltung, sondern eine, die man lernen und sich hart antrainieren muss. Sitzt diese Haltung nämlich nicht, dann erlebt man, dass der Coach unbewusst immer wieder in die Beraterhaltung rutscht und anfängt – ungefragt und ohne Zustimmung des Klienten – Ratschläge zu erteilen.
Mittlerweile gibt es für alles mögliche „Coaching“. Was sind die Unterschiede zwischen „Business Coach“, „Stress- und Mentalcoach“ und „Life Coach“?
Ghaffari: Die Definition „Coaching“ ist nicht geschützt und auch nicht einheitlich. Wichtig ist nur, dass der Dienstleister vorher dem Klienten erklären kann, womit er wie welche Wirkung erzielen möchte. Einzig die Abgrenzung zwischen „Coaching“ und „Business Coaching“ erscheint mir persönlich wichtig, weil sie auch praktische Konsequenzen hat, denn beim „Coaching“ hat der Klient selbst ein Thema und benötigt Unterstützung. Es kann sich dabei um seine Persönlichkeitsentwicklung im Allgemeinen oder um ein berufliches Thema im Besonderen sowie um Stressbewältigung handeln. Sinnvoll ist es hier für den Coach, sich auf ein Thema zu spezialisieren, um maßgeschneiderte Beratungs- oder Trainingselemente in die eigene Dienstleistung einbauen zu können.
Wohingegen es beim „Business Coaching“ um das Unternehmen geht, also um die Unterstützung erfolgreichen unternehmerischen Handelns in einer Organisation. Das Unternehmen meint, dass es hierfür förderlich ist, dass der Führungsnachwuchs seine Kompetenz ausbaut oder dass eine Konfliktlösung oder ein Teambuilding in einer Abteilung stattfinden sollte, das von dem Coach begleitet wird.
Was macht Ihrer Meinung nach einen professionellen Coach aus?
Ghaffari: Ich kenne beispielsweise Dienstleister, die sich als „Life Coaches“ bezeichnen, aber ganz unterschiedlich arbeiten, weil sie eine unterschiedliche innere Haltung zu ihrer Tätigkeit haben: Nämlich die Haltung eines Coaches, die eines Beraters oder die eines Trainers.
Ob Coach, Berater oder Trainer, wichtig ist meiner Meinung nach die innere Haltung, mit der wir Dienstleister unseren Kunden und Klienten begegnen. Solange diese Position nicht geklärt ist und eigene (Lebens-) Themen nicht behandelt wurden, ist eine offene, vorurteilsfreie Menschenbegleitung schwer möglich.
Dies vorausgeschickt, bin ich persönlich davon überzeugt, dass ich als Dienstleister alle drei Haltungen benötige, um den Klienten nachhaltig helfen zu können. Aber jeweils bewusst und nach Absprache mit dem Klienten in den Gesamtprozess eingebaut.
Wie gehen Sie bei Kunden vor, denen es schwer fällt ihr Thema zu beschreiben oder ihre Ziele zu formulieren?
Ghaffari: Wenn ich das erkenne, dann hole ich ihr Einverständnis dafür ein, ein Modell der Persönlichkeitsentwicklung als Ausgangsbasis und als gemeinsame Sprache zu verwenden. In dem Modell haben wir es mit sehr unterschiedlichen Lebensbereichen zu tun, die sehr verschiedene Fragestellungen beinhalten und andere Lösungsmethoden erfordern. Der erste Lebensbereich ist der der „Aktion.“ Fragen wie „Welches Ziel soll erreicht werden, wen oder was brauche ich dafür, welche konkreten Schritte unternehme ich, um weiterzukommen?“ stehen hier im Fokus. Im Lebensbereich „Emotion“ geht es darum, wie ich eine gute Beziehung zu mir selbst und zu anderen gestalte und dabei beachte, ob mir und anderen mein Handeln gut tut. Und im dritten Lebensbereich „Ratio“ wird auf Fragen eingegangen wie „Kenne und wahre ich meine Grenzen?“, „Wie gewinne ich Erkenntnisse und Einsichten?“ oder auch „Habe ich die richtigen Lehren aus meinen Erfahrungen gezogen?“.
In der Regel sind wir in einem dieser Lebensbereiche besonders stark und einen vernachlässigen wir umso mehr. Zur Lösung unserer Probleme greifen wir auf Methoden zurück, die sich für uns in unserem dominanten Lebensbereich bewährt haben. Je „erwachsener“ das Leben wird, desto häufiger geraten wir in Situationen in denen unsere bewährten Methoden nicht funktionieren. Getreu dem Motto „wenn es funktioniert, mach' mehr davon, wenn nicht, mach' etwas ander(e)s“, lautet die entscheidende Frage: Wenn man nicht weiterkommt, schafft man es, etwas ander(e)s zu machen, oder greift man weiterhin auf das Bekannte und Bewährte zurück? Recht wahrscheinlich nämlich liegt die benötigte neue Lösung in dem Lebensbereich, der bislang zu kurz gekommen ist. Die Stärkung dieses Lebensbereiches ist daher eminent wichtig für eine erfolgreiche Persönlichkeitsentwicklung.
Haben Sie hierfür ein konkretes Beispiel?
Ghaffari: Ist beispielsweise jemand primär im Lebensbereich „Aktion“ zuhause, dann ist er zielorientiert und denkt Ursache-Wirkungskausal „Was soll ich konkret machen, damit ich in Folge mein Ziel erreiche?“ Was dabei häufig zu kurz kommt, ist der Lebensbereich „Emotion“ mit der Fragstellung „Tut mir und anderen mein Handeln gut?“ Solange der für die Persönlichkeitsentwicklung wichtige Lebensbereich zu kurz kommt, läuft man Gefahr, im dritten Lebensbereich fremdbestimmt zu bleiben. In diesem Beispiel im Lebensbereich „Ratio“. Der aktionslastige Mensch denkt so wie „man“ denken sollte, sprich, wie die Gesellschaft, die Eltern etc. meinen, dass dieses Rollendenken für ihn richtig ist. Das versperrt ihm aber den Weg zu wahren Einsichten und Erkenntnissen.
Und was ist bei einer Aus- und Weiterbildung im Bereich „Coaching“ zu beachten?
Ghaffari: Nehmen wir beispielsweise Ansätze wie „systemisch“, „klientenzentriert“ oder „lösungsorientiert“. Dahinter stehen nicht selten zunächst ungewöhnliche Modelle, Grundannahmen und philosophische Bezüge, ohne deren Berücksichtigung ein tieferes Verständnis der eigenen (Arbeits-)Haltung wohl nur schwer möglich ist. Wenn man sich mit praktizierenden Coaches austauscht, dann erkennt man nicht selten, dass sie die Anwendung von Tools gepaukt, jedoch offensichtlich nur sehr wenig tieferes Verständnis für das „Dahinter“ vermittelt bekommen haben. Das ist aber ein Muss, denn sonst kann ich als angehender Dienstleister nicht die zu mir passende Haltung finden.
Die erste und wichtigste Frage sollte für einen Dienstleister sein: „Mit welchem Kunden möchte ich gerne zusammenarbeiten und welches dringende Problem dieses Kunden möchte ich eigentlich lösen?“, Also nicht „Ich arbeite als Stress-Coach“, sondern: „Wenn ich an meine künftige Arbeit als Stress-Coach denke, habe ich eher eine Firmensituation oder eine Beziehungssituation vor Augen?“, „Ist das Problem der Person in dieser Situation, das ich gerne lösen würde, dass ihr sprachliche Fertigkeiten fehlen oder kämpft sie damit, die Souveränität nicht zu verlieren oder geht es darum, den Konflikt positiv aufzulösen, oder geht es um Zeitmanagement, oder …?!“ Erst danach geht es um die Frage „Welche Haltung und welche Tools und Fertigkeiten brauche ich dafür?“ Und anschließend „Was bringe ich selbst schon mit und was fehlt mir noch?“, „Bilde ich mich fort und decke das Defizit selbst ab?“ Anschließend sollte ich mir nach bestem Wissen und Gewissen eine Schule aussuchen, mich auf die Ausbildung einlassen, aber trotzdem alles kritisch hinterfragen und auch für alternative sowie konkurrierende Denkweisen offen bleiben. Nach und nach wird man so den eigenen Weg finden. Eine gute Ausbildung ermöglicht ferner die Persönlichkeitsentwicklung des Coaches und plant dafür genügend Zeit ein.
In welchen Bereichen, würden Sie sagen, werden zukünftig besonders Coaches benötigt?
Ghaffari: Wie gesagt, in allen Lebensthemen findet man häufig die Berater-Haltung vor und die Coach-Haltung kommt zu kurz. So gesehen lautet die Antwort: In allen Bereichen. Im Besonderen gibt es bestimmte Themengebiete, die offensichtlich ein ernsthaftes Thema unserer Generation darstellen und für die die Coach-Haltung prädestiniert wäre. Dazu gehören beispielsweise Konflikte mit der eigenen Spiritualität, Ethik oder Religiosität.
Vielen Dank für das Interview, Herr Ghaffari.
Ausführliche Infos zur IST-Weiterbildung "Stress- und Mentalcoach" gibt es hier.