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07.11.2025

Annemarie Aiyeju
Annemarie Aiyeju

Schlaf als Schlüssel für mentale Stabilität

Traumafachberaterin Annemarie Aiyeju vom Münchner Frauennotruf nutzt ihr IST-Wissen als Schlafcoachin, um Frauen nach Gewalterfahrungen zu helfen, wieder zur Ruhe zu finden – in der Nacht und im Leben.

Die Sozialpädagogin arbeitet hauptberuflich beim Münchner Frauennotruf und begleitet dort Frauen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben. Neben ihrer Tätigkeit in der Krisenberatung ist sie ausgebildete gestalttherapeutische Beraterin und hat eine Zusatzqualifikation als Traumafachberaterin erworben. Anfang des Jahres kam eine weitere Facette hinzu: die Weiterbildung zur Schlafcoachin

„Ich wollte verstehen, wie Schlaf und psychische Stabilität miteinander zusammenhängen“, erzählt Annemarie. „Gerade in der Arbeit mit traumatisierten Frauen spielt der Schlaf eine enorme Rolle – und ich wollte diesen Zusammenhang professionell in meine Beratung integrieren.“

Arbeiten am Unaussprechlichen
Im Münchner Frauennotruf berät sie Frauen in akuten Krisensituationen oder in Phasen, in denen Erinnerungen an frühere Gewalterfahrungen – etwa aus der Kindheit – wieder auftauchen.

„Zu meinen Aufgaben gehören sowohl die telefonische als auch die persönliche Beratung“, berichtet die 37-Jährige. „Am Telefon begleite ich Frauen, die unmittelbar nach einer Gewalterfahrung Hilfe suchen oder sich mit alten Erlebnissen konfrontiert sehen. Ich informiere über Hilfsangebote, rechtliche Möglichkeiten und Sicherheitsmaßnahmen – beispielsweise im Kontext interfamiliärer Gewalt.“

In der persönlichen Beratung liegt der Fokus stärker auf dem Verarbeiten des Erlebten. „Oft geht es darum, Worte für das Unaussprechliche zu finden. Wir suchen gemeinsam Wege, das Erlebte in die eigene Biografie zu integrieren und die psychische Stabilität im Alltag wiederherzustellen.“

Was sie an ihrer Arbeit besonders schätzt, sind die Begegnungen mit Frauen, die trotz allem Mut zeigen: „Mich beeindruckt immer wieder die Stärke und Resilienz dieser Frauen. Trotz schwerster Erfahrungen setzen sie sich mit dem Erlebten auseinander. Diese Haltung verdient tiefsten Respekt.“

Warum Schlaf so wichtig ist
Über die Jahre fiel ihr auf, dass viele ihrer Klientinnen unter massiven Schlafstörungen leiden – ein Symptom, das oft unterschätzt wird.

„Schlafstörungen sind nach traumatischen Erlebnissen eine ganz normale Reaktion“, erklärt die Sozialpädagogin. „Aber viele Frauen entwickeln mit der Zeit ungünstige Strategien, um überhaupt noch schlafen zu können – etwa, sich mit dem Handy abzulenken oder lange wachzubleiben, um das Zubettgehen zu vermeiden. Dadurch verfestigen sich die Probleme. Das wirkt sich auf alles aus: auf die psychische Stabilität, auf die Alltagsbewältigung und natürlich auf die Stimmung – insbesondere bei Frauen mit Kindern.“

Diese Beobachtungen führten zu ihrer Entscheidung, sich zur Schlafcoachin weiterzubilden. „Ich wollte verstehen, welche Grundlagen für gesunden Schlaf entscheidend sind, um Betroffenen gezielt helfen zu können, ihre Schlafqualität zu verbessern“, erzählt sie. „Zunächst habe ich mich im Selbststudium mit dem Thema auseinandergesetzt – und dann am IST die Weiterbildung zur Schlafcoachin absolviert.“

Von der Theorie in die Praxis

Die Weiterbildung hat sie als große Bereicherung erlebt. „Ich wollte mein Wissen zum Thema Schlaf fundieren und erweitern, um Zusammenhänge zwischen Schlaf, psychischer Belastung und Stabilisierung besser zu verstehen – und diese Erwartungen haben sich voll erfüllt. Die Weiterbildung hat meine Fachlichkeit gestärkt und mir ermöglicht, meine Arbeit noch selbstbewusster und professioneller nach außen zu vertreten.“

Heute verbindet sie die drei Bereiche – Soziale Arbeit, Traumaberatung und Schlafcoaching – zu einem ganzheitlichen Ansatz. „Mir ist wichtig, Menschen dabei zu unterstützen, wieder in Kontakt mit ihrem eigenen Körper, ihrem Rhythmus und ihren Ressourcen zu kommen – und Schlaf als einen Schlüssel zur psychischen Stabilität und Gesundheit zu nutzen“, erklärt sie.

Ein Beispiel aus ihrer Praxis zeigt, wie feinfühlig diese Arbeit ist: „Für viele Menschen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, ist das Bett kein Ort der Entspannung. Es ist mit Angst und Anspannung verbunden. Erst durch Fragen wie ‚Wie wohl fühlen Sie sich in Ihrer Schlafumgebung?‘ oder ‚Ist Ihr Bett ein Ort der Ruhe?‘ wird sichtbar, was unbewusst belastet. Dann setze ich genau dort an – und begleite die Frauen dabei, ihre Schlafumgebung und ihr Verhalten so zu verändern, dass Sicherheit, Ruhe und Erholung wieder möglich werden.“

Besonders wichtig ist ihr, jede noch so kleine Veränderung zu würdigen: „Ich wertschätze jede kleinste Verbesserung, weil sie das Selbstbewusstsein stärkt. Wer merkt, dass er selbst Einfluss auf sein Schlafverhalten hat, spürt auch: Ich bin handlungsfähig – und das ist ein zentraler Schritt in Richtung Stabilität.“

Wissen weitergeben – Bewusstsein schaffen
Neben ihrer Beratungsarbeit teilt sie ihr Wissen heute auch mit anderen Zielgruppen und Fachkräften: „Ich halte Vorträge zum Thema Schlaf in Alten- und Servicezentren, in Nachbarschaftszentren und gebe Fortbildungen für Kolleg:innen in der Sozialen Arbeit“, erzählt sie. „Mir ist wichtig, dass Sozialarbeiter:innen das Thema Schlaf und mögliche Störungen bewusster wahrnehmen. Ein erholsamer Schlaf ist eine zentrale Voraussetzung für psychische Belastbarkeit und Gesundheit. Wenn wir diesen Aspekt in die Beratung integrieren, können wir Menschen ganzheitlicher und wirksamer unterstützen.“

Eine Weiterbildung, die wirkt – für sie und für andere
Auf die Frage, ob sie die Weiterbildung weiterempfehlen würde, antwortet Annemarie ohne Zögern: „Ja, auf jeden Fall. Gerade in der Sozialen Arbeit ist das Wissen über Schlaf bislang unterrepräsentiert – obwohl Schlafstörungen oft ein Symptom von Belastung oder Krisen sind. Wer versteht, wie eng Schlaf mit psychischer Gesundheit, Stabilität und Lebensqualität verknüpft ist, kann gezielt dazu beitragen, dass sich Betroffene und ihr Umfeld nachhaltig besser fühlen.“