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09.10.2018

Unsere Box-Hoffnung für die Olympischen Spiele 2020

Andrej Merzlyakov wird in Kürze seine betriebliche Fitness-Ausbildung am IST abschließen. „Ganz nebenbei“ ist er Deutscher Meister im Amateurboxen, im Mittelgewicht bis 75 Kg. Und trainiert für Olympia.

IST: Andrej, Du bist 22 Jahre und wirst am IST bald deine Ausbildung zum „Sport- und Gesundheitstrainer/ Sport- und Fitnessbetriebswirt“ abschließen. Und so wie es aussieht, erfolgreich. Aber die Ausbildung ist nicht die einzige Aufgabe im Leben, die du erfolgreich meisterst. Fast nebenbei bist du Deutscher Meister im Amateurboxen, im Mittelgewicht bis 75 Kg, geworden. So kommt es uns in jedem Fall vor. Und nun bereitest du dich auf die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2020 vor. Wie bist du überhaupt zum Boxsport gekommen?

Andrej Merzlyakov: Ganz einfach, mit 13 Jahren habe eines schönen Tages Schläge während einer kleinen Auseinandersetzung einstecken müssen. Das hat mir überhaupt nicht gepasst und ich wollte es meinen damaligen Gegnern unbedingt heimzahlen. Denn (er lacht) es war mir sehr unangenehm, auf ‚die Schnauze zu bekommen‘. So habe ich mir in den Kopf gesetzt, etwas dagegen zu tun, damit so etwas bloß nie wieder vorkommt. Ab da habe ich mich im Boxsport versucht.


Versucht, ist gut. Du bist in deinem Sport überaus erfolgreich. Uns interessiert, wie Du deinen Alltag meisterst, denn schließlich absolvierst Du deine Ausbildung bei Cleverfit in Amberg, lernst für die Abschlussprüfung und betreibst Leistungssport mit dem Ziel, vielleicht bei den Olympischen Spielen in Tokio dabei zu sein. Wie sieht dein Alltag aus?

Andrej MerzlyakovA.M.: An meinen freien Tagen, je nachdem wie die Vorbereitung gerade aussieht, trainiere ich zwei bis drei Mal. Mein Tag ist durchgetaktet. In der Früh um 6 Uhr stehe ich für eine einstündige Laufeinheit auf. Um 7.15 Uhr ist Frühstück und nochmal eine kleine Runde Schlaf bis ungefähr 10.30 Uhr. Denn um 11 Uhr bin ich schon in der zweiten Einheit. Das dritte Haupttraining findet dann um 18 Uhr statt, bis dahin steht noch Mittagessen und vielleicht noch bisschen Schlaf nach Lust und Laune an. Wenn die Arbeit dazwischen ‚im Weg‘ ist, trainiere ich immer einmal vor und nach meiner Schicht. Hauptsächlich ist mein Alltag so abgestimmt, dass ich – so gut es geht – meine Trainingseinheiten absolvieren kann.


Wie schaffst du es konkret, Ausbildung und Trainings- bzw. Wettkampfzeiten unter einen Hut zu bringen? Worauf verzichtest du?

A.M: Es ist keineswegs leicht, alles unter einen Hut zu bringen. Das ist wahr. Dennoch versuche ich, den Tag so zu gestalten, dass ich meine zwei Trainingseinheiten absolvieren kann. Es ist auch wirklich kein Zuckerschlecken, in der Früh zu trainieren, danach zur Arbeit zu gehen und dann wieder zu trainieren. Das geht schon mächtig auf die Substanz. Oft bin ich dann wie ausgesaugt und ohne Energie, aber von nichts kommt nichts. Natürlich gehe ich auch mal nach dem Training mit Freunden etwas essen oder Kaffee trinken. Aber nur, wenn ich in keiner wichtige Wettkampfphase stecke. Ich hatte Glück, auf verständnisvolle Kollegen zu treffen und einen zu Chef haben, der mich unterstützt. Natürlich ist es immer so, dass du auf dem Weg nach oben auf vieles verzichten musst. Für einen Traum muss man natürlich auch Opfer bringen. Ich habe wirklich nur sehr wenig Zeit für meine Freundin, meine Freunde und wenig Zeit auch für mich selbst. Aber ich bin zuversichtlich und glaube daran, dass sich das alles irgendwann lohnen wird und ich die Zeit mit der Freundin nachholen kann.


Inwieweit unterstützt dich dein Ausbilder bei deinen sportlichen Ambitionen?

A.M.: Die Unterstützung, die ich erfahre, ist großartig. Die Dienstpläne werden größtenteils an meinen Trainingsbedürfnissen ausgerichtet. Aber das geht natürlich nicht immer. Aber wenn Wettkämpfe anstehen, sagen alle immer, dass ich in jedem Fall hinfahren soll. Sie bauen die Dienstpläne dann so um, dass es passt.

Mit meinem Chef habe ich mich schon vom ersten Tag an verstanden. Er wusste, wo ich sportlich hin wollte. Im Gegenzug war ich bereit, auch im Betrieb die Leistung zu bringen, die er sich gewünscht hat. Ich wiederhole es gerne nochmal, so einen Chef findet man nicht überall. Da er selber ein großes Sportlerherz besitzt und jahrelang im Powerlifting aktiv war, konnte er meine Situation und mein Streben nach Erfolg verstehen. Sogar als es personell im Studio sehr eng war und wir unterbesetzt waren, hat er mir immer ermöglicht, meinen Traum zu leben. Also, auch wenn es so schien, dass es unmöglich war, mir frei zu geben, hat er es einfach getan. Ich bin ihm vom ganzem Herzen dankbar und hoffe nur das Beste für ihn und seinen Betrieb. Es hat mir immer Spaß gemacht dort zuarbeiten! Michael, Danke!


Deine Ausbildung liefert dir sicherlich auch wertvolles Wissen für dein Training. Was kannst oder konntest du direkt für dich nutzen?

A.M.: Die Ausbildung war genau richtig für mich. So konnte ich mein Training über die Jahre noch um einiges optimieren. Ich konnte mir meine Trainingspläne z.B. für Explosivkrafttraining selber zusammenstellen und erfuhr eine Menge zum Thema ‚Physis‘. So lernte ich meine Stärken und Schwächen kennen und kann auf sie eingehen. Außerdem habe ich in der Zeit viel über Ernährung gelernt und konnte natürlich auch daraus meinen Nutzen ziehen.


Zuletzt bist du für den Bundesliga-Club BSK Hannover-Seelze in den Ring gestiegen. Hannover ist ja für dich jetzt nicht direkt um die Ecke? Wie ist es dir zeitlich gelungen, in Amberg/Bayern zu leben und zu arbeiten, aber in Hannover zu kämpfen?

A.M.: Das war tatsächlich nicht leicht. Wir bestreiten mindestens zweimal im Monat einen Kampf, hauptsächlich am Wochenende. Ich musste natürlich mir immer wieder für die Kämpfe frei nehmen, was aber gut geklappt hat. Wir sind meistens einen Tag vor der Veranstaltung angereist und haben dort nochmal mit der Bundesligamannschaft trainiert und unser Gewicht gecheckt. Die Anreise am Tag vorher war immer super, da die lange Autofahrt wirklich anstrengend und kraftraubend war. So konnten wir uns nochmal ausruhen und ausschlafen. Eine Saison geht nur ein halbes Jahr, immer nur pure Action. Vor allem sind wir mit Seelze Deutscher Meister geworden und haben vor, es dieses Jahr erneut zu werden. Ich würde es jetzt von meiner Seite aus nicht als großen Aufwand bezeichnen. Wie gesagt, es war ja nur zwei- bis höchstens dreimal im Monat. Es war immer ein super Erlebnis.


Stimmt es, dass du zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokio fährst?

A.M.: Nicht ganz. Mein großer Traum ist natürlich, dort teilzunehmen und auf dem ersten Treppchen zu stehen. Aber zur Nominierung ist noch ein weiter Weg, den ich gehen muss. Ich wurde erst dieses Jahr zur Nummer 1 in Deutschland in der Mittelgewichtsklasse gekürt. Das heißt, ich habe in meiner jetzigen Position tatsächlich die besten Chancen, nominiert zu werden. Also, Vollgas nach oben!


In welcher Gewichtsklasse wirst du antreten? Wie sieht deine Vorbereitung dazu aus? Welche Chancen rechnest du dir aus?

Andrej MerzlyakovA.M.: Ich werde in der Mittelgewichtsklasse bis 75 Kg antreten. Meine Vorbereitung wird in erster Linie aus vielen Internationalen Kämpfen und Turnieren bestehen, ich werde diese Erfahrung brauchen, um noch stabiler im Ring zu stehen. Die Vorbereitungen werden erstmal für die Europameisterschaft und Weltmeisterschaft laufen. Wichtig ist, dass ich da mein Können unter Beweis stelle, um mich für die Spiele zu qualifizieren. Ich rechne mir die Chancen im jeden Turnier gut aus, schließlich mach ich diese Reise, um erster zu werden. Ich habe dieses Jahr gegen einen Olympiasieger aus Kuba knapp verloren, aber ich habe ihn mir besser vorgestellt.


Inwieweit hat dein Beruf als angehender Fitnesstrainer noch Platz in Deinem Leben?

A.M.: Jetzt gerade kann ich mir den Beruf als Fitnesstrainer zeitlich leider nicht leisten. Es ist ein sehr angenehmer und spaßiger Job, der mir wirklich gut seht, liegt und gefällt. Dennoch muss ich mich um meine eigenen Trainingspläne kümmern. Es war ja schon in der Ausbildung sehr schwer, alles unter einen Hut zu bekommen. Weiterhin wird mein Weg noch schwerer und anspruchsvoller. Deswegen muss ich alles dem Boxsport widmen.


Möchtest Du noch etwas erwähnen?

A.M: Jeder soll das machen im Leben, was er will! Und nicht, was die Schule oder die Gesellschaft einem vorschreibt. Das Coole ist, wir haben die Freiheit alles zu werden und zu tun, was wir wollen. Jeder hat es in seiner Hand, ob er aufsteht oder liegen bleibt, ob er weitergeht oder stehenbleibt. Keiner soll sich von irgendjemanden sagen lassen, dass er etwas nicht schafft oder nicht kann. Man darf niemals aufgeben und sich zum Ziel kämpfen. Auch ich werde weiterkämpfen.


Andrej, wir wünschen Dir alles Gute und viel Erfolg für Deine Zukunft und bedanken uns für das Gespräch!

Wer Andrej Merzlyakov näher kennenlernen möchte, kann sich hier einen Beitrag des Oberpfalz TV anschauen.